Betrifft mich das als KMU in Deutschland?
Viel geredet wurde in den vergangenen zwei Jahren über den Digital Markets Act. Man findet unzählige Artikel mit teilweise völlig unterschiedlichen Angaben und so wirklich klären, inwiefern das kleine mittelständische Unternehmen in Deutschland betrifft, tun diese Artikel nicht. Dabei wird der DMA definitiv Auswirkungen auf jedes einzelne Unternehmen, welches über digitale Kanäle handelt, sei es durch Marketing, Vertrieb oder dem Anbieten seiner Produkte und Dienstleistungen, haben. Dieser Artikel beschäftigt sich nicht so sehr mit den rechtlichen Inhalten des Gesetzes, sondern ist eine Auseinandersetzung, inwieweit für uns als KMU diese neue Gesetzgebung relevant ist und was für tatsächliche Folgen sie im Alltag haben wird.

Was ist der Digital Markets Act (DMA) überhaupt?
Eine kleine Handvoll großer Technologieunternehmen hat in der digitalen Werbung eine große Macht. Es gibt zwar zahlreiche Online-Plattformen mit verschiedenen Funktionen im Bereich Social Media Messenger, Webbrowser und zuletzt auch Suchmaschinen, allerdings nutzt ein überwiegender Großteil der Nutzer nach wie vor ausschließlich die Big Player.
Der Digital Markets Act erstreckt sich genau auf diese Big Player (zukünftig Gatekeeper genannt) wie Google, Amazon, Apple, Meta und Microsoft. Der DMA soll dabei die Marktmacht genau dieser großen Digitalkonzerne in der Europäischen Union beschränken, um so mittelfristig unter anderem ein möglichst fairen Wettbewerb in der Digitalwirtschaft sicherzustellen.
Wem hilft der DMA?
Den großen Online-Plattformen, Gatekeeper genannt, wird vorgeworfen, den freien digitalen Wettbewerb zu behindern oder aktiv zu verhindern. Sind wir ehrlich, ist sicherlich in vielen Bereichen auch so. Daher richtet sich eine Reihe an Maßnahmen genau gegen diese sogenannten Gatekeeper. Diese Maßnahmen beziehen sich größtenteils auf die gesammelten Daten von Käufern oder Schalten von Werbeanzeigen auf den Plattformen.
Kurz zusammengefasst geht das neue Gesetz dabei vorwiegend die Themen Transparenz, Datenzugang, faire Vertragsbedingungen sowie die Themen Rechtssicherheit und Datenschutz an. Inwieweit diese Themen in der Praxis am Ende wirklich funktionieren, daran habe ich große Zweifel. Hier muss man sich z. B. nur den Umgang von Google bezüglich des neuen Content-Mode v2 anschauen. Kurz gesagt, Google möchte zukünftig halt einen zusätzlichen Code Schnipsel auf der Website haben. Am Ende wieder nur Unsicherheit aufseiten der KMU und Aufwand bzw. Kosten in der tatsächlichen Umsetzung.
Sind wir als KMU abhängig von den Gatekeepern?
Der digitale Werbebereich wird von den Gatekeepern dominiert und natürlich bietet die Verwendung ihrer Werbedienste deutliche Vorteile. Darüber brauchen wir nicht zu diskutieren. Sie ermöglichen uns den Zugang zu einem riesigen globalen Publikum, welches wir über klassische Marketingmethoden niemals auf so einfache Weise erreichen könnten. Auch die Themen Zielgruppenanalyse und Targeting sind in der täglichen Arbeit für KMU äußerst relevant. Denkt man z. B. nur an Recruiting-Kampagnen, die auf den Standort eines Nutzers ausgerichtet sind.
Wir nutzen in unserer täglichen Arbeit also die Tools und Werbemöglichkeiten der Gatekeeper für eigene Zwecke. Da müssen wir uns alle nichts vormachen: ohne digitalen Vertrieb z. B. auf LinkedIn, Videomarketing auf YouTube, Recruiting-Kampagnen über Facebook, Instagram oder TikTok hätten zahlreiche mittelständische Unternehmen in unserem Land ein Problem und könnten mit dem internationalen Wettbewerb gar nicht mehr mithalten. Wir müssen also festhalten, ja wir sind abhängig von den digitalen Märkten und damit von den Tools und Möglichkeiten, welche uns die Gatekeeper eröffnen.

Ernsthafte Auswirkungen für industrielle KMUs?
Kommen wir nun zum eigentlich interessanten Teil. Ist ja nett, dass sich die EU mal wieder irgendwelche Regeln ausgedacht hat, um sich mit den großen Tech-Unternehmen dieser Welt anzulegen. Die Frage ist, hat das überhaupt irgendwelche tatsächlichen außen für industrielle KMU in ihrer täglichen Arbeit?
Diese Frage muss man ganz klar mit Ja beantworten. Denn, wie oben bereits beschrieben verwenden wir alle täglich die Tools und Möglichkeiten, welche uns die Plattformen geben. Zielgerichtete, profilbasierte Werbung, also das, was wir unter klassischen Targeting verstehen, wird in der Zukunft so nicht mehr möglich sein. Das macht es für kleine und mittelständische Unternehmen deutlich ineffizienter und gleichzeitig viel herausfordernder, auf diesen Plattformen zu agieren. Klar, das Thema personalisierte Werbung steht schon lange im Fokus der Datenschützer und es ist keine Überraschung, dass dem Ganzen durch strengere Regelungen der DSGVO sowie dem Ende der Third-Party-Cookies in Zukunft nun ein großes Umdenken bevorsteht.
Bist du als Unternehmen aber davon ein wenig abhängig, neue Bewerbungen oder Sales über diese Plattform zu generieren, kann das deine Performance zukünftig massiv beeinflussen. Ich predige seit Jahren, sich nicht zu abhängig von einem Kanal zu machen. In der Praxis ist das aber viel leichter gesagt als getan und benötigt einfach Zeit.
Die Herausforderung ist jetzt schon riesengroß
Um die breite Masse der kleinen und mittelständischen Unternehmen in diesem Land überhaupt an den Punkt zu bringen, digitales Marketing auf diesen Kanälen aktiv für sich zu nutzen, hat es Jahrzehnte gedauert. Wir sind aber auch heute noch an einem Stand, in dem man in einen KMU hereinkommt und niemand dort eine Ahnung hat, wie man z.B. Social Media Advertising aufsetzt, strategisch angeht und für sich gewinnbringend einsetzt. Und wir sprechen hier jetzt auch nicht vom E-Commerce-Markt, sondern wir sprechen vom Metallbauer, Maschinenbauer, Stahlproduzenten sowie Experten für Fördertechnik, Schaltschrankbau und chemische Prozesse.
Permanente Anpassungen helfen aus meiner Sicht niemandem
Es ist im Alltag schon fast unmöglich, mit den permanenten Änderungen auf den Plattformen klarzukommen. Verändert sich allein im Meta-Werbeanzeigen Manager täglich bzw. wöchentlich etwas. Für ein normales Unternehmen ist es nicht mehr stemmbar, das in eigener Regie durchzuführen, und auch zahlreiche Agenturen am Markt sind vollkommen überfordert damit. So habe ich in hunderten Projekten bisher nur eine kleine Handvoll richtig aufgesetzter Business Accounts in Meta, sauber strukturierter Google Ads Accounts oder tatsächlich datenschutzkonformes Tracking gesehen.
Der Digital Markets Act ist nun ein weiterer Schritt, welche die Verwendung der Plattformen kompliziert, wieder ändert und natürlich eine Menge Aufwand in der täglichen Arbeit für KMU bedeutet. Gleichzeitig ist die Befürchtung groß, dass die Performance definitiv an manchen Stellen einbrechen wird. Wir alle wissen aus der täglichen Arbeit.
Wir alle wissen, wird die Herausforderung in der Arbeit mit einem Kanal deutlich höher und bricht gleichzeitig dessen Performance ein, wird es irgendwann schwierig.
Exkurs: Personalisierte Werbung vs. Datenschutz
Wir können natürlich jetzt eine Grundsatzdebatte führen, inwieweit personalisiertes Targeting richtig und wichtig oder aus Datenschutz-Sicht eine absolute Vollkatastrophe ist. Ich bin der Meinung (auch wenn ich rein geschäftlich natürlich auf der Seite derer steht, die gar nicht so viele Daten wie möglich haben), dass wenn ich mir schon Werbung anschauen muss, ich mir dann lieber Advertising ansehe oder höre, welches mich auch nur im Entferntesten interessiert.
Kann ich nicht vernünftige Werbung sehen?
Ich bin ganz ehrlich: Wir alle schauen täglich Werbespots an. Ob im Fernseher, Internet oder auf Social Media. Wenn ich mir das Ganze als Nutzer jetzt schon antun muss, dann möchte ich wenigstens Dinge sehen, die mich voranbringen. So gibt es, wenn auch sehr selten, interessantes Advertising für mich persönlich. Ob neue Software, Tools oder Hardware, ich habe schon das ein oder andere super Produkt entdeckt aufgrund von Social Advertising. Betrachte ich aber das Verhältnis von Advertising, welches mich interessiert im Vergleich zu dem ganzen anderen Schrott, so muss ich klar festhalten, dass ca. 99 % der Werbeanzeigen in mir als Person vollkommen ihr Ziel verfehlen. Wäre es da nicht erfrischend, weniger Werbung zu sehen, aber dafür Dinge, die einen wirklich interessieren und weiterbringen könnten? Hier gegen kann man doch nicht ernsthaft was haben?
Das Dilemma mit dem Datenschutz
Auf der anderen Seite stehen natürlich berechtigte Bedenken zahlreiche Datenschützer und Verbraucher, wie ein solches Advertising zusammen kommt. Natürlich basiert das ganze auf Daten, die über mich in den vergangenen Jahren gesammelt wurden. Ob das Surfen im Internet, das Schauen von Netflix Serien oder welche Artikel ich mir bei Amazon angeschaut habe, wird getrackt. Diese Daten werden anschließend dazu verwendet, ein Persönlichkeitsprofil zu erstellen, auf welchen die zukünftige Ausspielung von passenden Ads basiert. Und klar, das ist durchaus bedenklich und kann definitiv missbraucht werden. Ja
Die Zukunft von Marketing und Branding
Wir werden uns in naher Zukunft immer mehr damit anfreunden müssen, dass wir als KMU für unsere digitalen Ziele, sei es im Marketing, Recruiting oder Vertrieb, immer weniger Daten zur Verfügung haben. Gleichzeitig wird es immer komplexer und technisch anspruchsvoller, an diese Daten überhaupt heranzukommen. Der Digital Marktes Act trägt hier definitiv seinen Teil dazu bei. Natürlich beschränkt er die Macht der großen Plattformbetreiber durch strengere Regeln und ermöglicht sicherlich ein gewisses Maß an Kontrolle über diese digitalen Plattformen. Auch mögen andere Anbieter hiervon profitieren.